Ausgewählte Gedichte
finden Sie hier als Paperback:

 

 

UNGEREIMTES IN VERSEN

 

Das Ende

 

Ein Ende kam an seinen Schluss 
und sprach: "Da ich bald sterben muss,

 

erfülle mir - ich bin so krank - 
den letzten Wunsch! Und vielen Dank!"

 

So schrieb ich es, das war der Sinn 
der Bitte wohl, hin als Beginn.

 

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Das Aquarium

 

"Auch der Mensch ist nur ein Tier", 
sprach zufrieden einst ein Zier-

 

fisch, der durch die Wand aus Glas 
einen Blick riskierte, was

 

dadurch wurde ihm gelohnt, 
dass er den sah, der da wohnt:

 

Einen Menschen, wie er blickt 
stumm und fremd und freundlich nickt.

 

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Sommertagstraum

 

Es träumte mir, ich lag im Klee 
zur Sommerszeit an einem See. 

 

Und über mir sah ich im Fliegen 
mich selbst am See im Kleegras liegen.

 

Ich sah mich unten, sah mich oben, 
ich war gleich doppelt mir enthoben

 

- und das heißt allemal im Leben, 
zugleich auch doppelt mir gegeben -

 

und so, entgegen allen Scheins, 
aufs Wunderbarste mit mir eins.

 

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Selbstfindung

 

Auf einem Baum, in lichter Höh, 
sitzt stumm vor Scham die Diarrhö.

 

Sie hat zu viel vom Obst genommen 
und daraufhin sich selbst bekommen.

 

Jetzt reißt vom Baum sie Blatt um Blatt 
und ärgert sich, dass sie sich hat.

 

Moral: Muss man sich selber finden, 
freut nur ein Ort, dort zu verschwinden.

 

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Die Nase

 

Die Nasenwurzel spricht:

 

"Fest sitzt die Nase im Gesicht 
dank meiner Kraft und Stärke - 
und sie bewegt sich nicht!"

 

Da fängt die Nase an zu laufen 
aus einem Nasenloch. 
Und also spricht das Nasenbein:

 

"Und sie bewegt sich doch!"

 

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Das Urtier

 

Es gibt ein Tier, das gar nichts lernt: 
Vom Urzustand noch kaum entfernt,

 

bewegt es ständig sich im Kreis, 
weil es von anderem nichts weiß...

 

Ach Mensch, du meinst, du wüsstest mehr, 
weil dich dein Weg führt kreuz und quer.

 

Und hast doch Glück, wenn dir als Greis 
dein Lebensweg sich schließt zum Kreis.

 

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Der große Preis 

 

Ein Schwertransporter von x Tonnen 
hatte einen Preis gewonnen:

 

Vierzehn Tage Singapur 
für zwei Schwertransporter. Nur

 

war er leider Junggeselle. 
Darum gab man ihm anstelle

 

dieser Reise eine Uhr - 
Die kam frisch aus Singapur.

 

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Hausmusik

 

Unter Opas Pendeluhr 
kommt am Sonntag es zum Schwur:

 

Vater nähert sich den Tasten, 
Mutter holt den Geigenkasten.

 

Dass man nachher Kunst vernimmt, 
wird sich vorher abgestimmt:

 

Er will Brahms interpretieren, 
sie mit Mendelssohn brillieren.

 

Drauf spielt er aus Schumanns Szenen 
"Fremder Mann" - zu ihren Tränen,

 

die nicht hindern, was sie ehrt, 
dass sie sich mit Mozart wehrt...

 

Und so gibt es, unterm Pendel, 
wie noch jeden Sonntag: Händel.

 

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Das Streichholz

 

Im Wasserglas verebbt der Sturm, 
das Huhn verweigert Korn und Wurm.

 

Auf seinem Fels der Pavian 
hockt schweigend stumm samt seinem Clan.

 

Betäubt liegt starr das Krokodil, 
der Pfeil verharrt vor seinem Ziel.

 

An ihrem Stab die Wandermaus 
steht tränenblind und stiert gradaus.

 

Der Baum entledigt Ast für Ast 
sich seiner Blätter: "Welche Last ---!"

 

"Und welches Unglück!" fügt hinzu 
das Loch in einem Seidenschuh...

 

Als Nachricht lastet auf dem Land: 
"Das Streichholz ist heut’ abgebrannt!"

 

Die Kuh verhüllt ihr Haupt im Tal 
und resümiert: "Es war einmal!"

 

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Der Fluss

 

Es fließt der Fluss ins tiefe Meer 
und hinter ihm fließt wieder er.

 

Er folgt sich selbst bei jedem Schritt 
und auch dahinter fasst er Tritt.

 

Was vorne sich ins Meer ergießt, 
gleich wieder aus der Quelle fließt,

 

um sich zwar immerfort zu gleichen, 
jedoch - selbst kurz - nie zu erreichen...

 

Drum träume, Mensch, dich nicht als Fluss: 
Du träumtest dich als Sisyphus

 

und wärst bei deiner Wiederkehr 
derselbe, der du warst vorher.

 

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Der Ganges

 

In Indien war ein Fakir.

 

Der suchte dort, seinem Klavier 
ein deutsches Herbstlied abzuringen.

 

Das wollte ihm nicht recht gelingen 
(aufgrund des ungewohnten Klanges).

 

Es wurde Herbst - 
da plötzlich Ganges!

 

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Der Liebesbrief

 

"Ein Gartenschlauch 
hat keinen Bauch!" ---

 

Diese schlichte Zeile 
verehrte einst ein Gartenschlauch 
einer Nagelfeile.

 

Jene, nach nur kurzer Scham 
und längerem Gefeile 
- wobei ein Wort abhanden kam -, 
schrieb zart zurück:

 

"Ich auch!"

 

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Der Eisberg

 

An einen Eisberg, 
mächtig und alt,
hat sich in schneereicher Februarnacht 
eine Eisbergin rangemacht -

 

Er blieb kalt.

 

Da hat sie ihm 
- ihr Verlangen war heiß - 
drunten im eiskalten Wasser gezeigt, 
was sie dort alles angebaut:

 

Nichts als Eis!! -

 

Da ist er getaut.

 

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Die Seine

 

Durch einen Wirbelsturm getrennt 
wurde ein Paar Beine.

 

Er (das rechte), sie (das linke) 
waren ganz alleine.

 

Das rechte suchte sie am Po, 
das linke ihn am Rheine.

 

Schließlich fand er in Paris 
ein linkes Bein - die Seine.

 

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Das verschaukelte Schaukelpferd

 

Ein Schaukelpferd, weil falsch geritten, 
teilt seinem Reiter bündig mit: 
"So geht das nicht!" und fällt in Schritt... 
Doch der hat alles abgestritten 
und seinem Reittier vorgegaukelt:

 

"Ich ritt mit dir durch einen Wald, 
der wuchs heraus aus dem Asphalt, 
und Schlagloch grenzte dort an Löcher, 
so groß wie --- und noch größer nöcher!! 
Du weißt es doch, du warst dabei!" -

 

Dem Pferdchen ist es einerlei. 
Es fühlt sich nach wie vor: verschaukelt.

 

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Die Unentdeckten

 

In einem unentdeckten Land 
(weil kein Entdecker es dort fand) 
beschloss man, um entdeckt zu sterben 
dereinst (mit Hinblick auf die Erben) 
(das ganze Land war ja aus Sand), 
sich um Entdeckung zu bewerben.

 

Die Frage war nur, wo und wie
(entdeckt worden war man ja nie), 
der Modus des Entdeckens war 
infolgedessen nicht ganz klar 
(Genügte es, wenn man laut schrie: 
"Entdeckung!"? Gab´s ein Formular?).

 

Bei der Beratung dieser Frage 
(sie dauerte zehn volle Tage) 
hat ein Entdecker (gut versteckt) 
(weil ringsherum mit Sand bedeckt) 
die Unentdeckten (nach der Sage) 
vermittels eines Blicks entdeckt.

 

Mit seinem Zeh hat er geschrieben 
flugs in den Sand: "Es sind Stück sieben! 
(Ich liege hier tief hingeduckt 
und warte ab, bis einer guckt!)" -- 
Und dabei ist es dann geblieben. 
(Und also steht nicht mehr gedruckt.)

 

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Der fromme Elefant

 

Ein ursteinalter Elefant, 
als Heide ringsherum bekannt,

 

sprach einst zu einem frommen Floh, 
der ihn bekehren wollte, so

 

(zwei Schleiereulen im Talar 
begleiteten den Missionar):

 

"Ich kann gewiss nicht richtig beten, 
dafür jedoch sehr schön trompeten.

 

Und meine Beine - nun, ihr Eulen! - 
erinnern an vier Kirchensäulen.

 

Aus Elfenbein sind meine Zähne,
 was ich nur deswegen erwähne,

 

weil alles an mir, seid gewiss, 
den Schöpfer lobt - selbst mein Gebiss!

 

Mit einem Wort, als Resümee: 
Ein Elefant ist fromm per se!" ---

 

Der Floh, sehr fromm und mit Verstand,
sprach "Amen, Bruder!" und verschwand.

 

Die beiden Eulen im Talar 
bekehrten bald ein Dromedar.

 

Der Elefant jedoch - er galt 
seitdem nur noch als ursteinalt.

 

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Der Pfingstochse

 

Ein Pfingstochse incognito 
macht Urlaub in Neu-Mexico.

 

Doch was er vorher nicht bedacht: 
Dort ist grad - "Schnauze!" - Stille Nacht.

 

Und weil den Gauchos er gefällt, 
wird er dem Esel beigestellt

 

als Krippentier zu dem Behuf, 
fromm dazustehn wie Gott ihn schuf...

 

Vorbei der Urlaub! Nichts mit Baden! 
Schon wieder drin in allen Gnaden! ---

 

"Wer hat mich bloß", denkt er "erkannt?!" 
Das Kindlein lächelt, hebt die Hand.

 

Wird weiter eingetragen...