Reimgedichte

 

Ausgewählte Gedichte
finden Sie hier als Paperback:

 

F. Christoph Schiermeyer 33 Gedichte

 

 

UNGEREIMTES IN VERSEN

 

Das Ende

 

Ein Ende kam an seinen Schluss 
und sprach: "Da ich bald sterben muss,

 

erfülle mir - ich bin so krank - 
den letzten Wunsch! Und vielen Dank!"

 

So schrieb ich es, das war der Sinn 
der Bitte wohl, hin als Beginn.

 

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Das Aquarium

 

"Auch der Mensch ist nur ein Tier", 
sprach zufrieden einst ein Zier-

 

fisch, der durch die Wand aus Glas 
einen Blick riskierte, was

 

dadurch wurde ihm gelohnt, 
dass er den sah, der da wohnt:

 

Einen Menschen, wie er blickt 
stumm und fremd und freundlich nickt.

 

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Sommertagstraum

 

Es träumte mir, ich lag im Klee 
zur Sommerszeit an einem See. 

 

Und über mir sah ich im Fliegen 
mich selbst am See im Kleegras liegen.

 

Ich sah mich unten, sah mich oben, 
ich war gleich doppelt mir enthoben

 

- und das heißt allemal im Leben, 
zugleich auch doppelt mir gegeben -

 

und so, entgegen allen Scheins, 
aufs Wunderbarste mit mir eins.

 

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Selbstfindung

 

Auf einem Baum, in lichter Höh, 
sitzt stumm vor Scham die Diarrhö.

 

Sie hat zu viel vom Obst genommen 
und daraufhin sich selbst bekommen.

 

Jetzt reißt vom Baum sie Blatt um Blatt 
und ärgert sich, dass sie sich hat.

 

Moral: Muss man sich selber finden, 
freut nur ein Ort, dort zu verschwinden.

 

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Die Nase

 

Die Nasenwurzel spricht:

 

"Fest sitzt die Nase im Gesicht 
dank meiner Kraft und Stärke - 
und sie bewegt sich nicht!"

 

Da fängt die Nase an zu laufen 
aus einem Nasenloch. 
Und also spricht das Nasenbein:

 

"Und sie bewegt sich doch!"

 

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Das Urtier

 

Es gibt ein Tier, das gar nichts lernt: 
Vom Urzustand noch kaum entfernt,

 

bewegt es ständig sich im Kreis, 
weil es von anderem nichts weiß...

 

Ach Mensch, du meinst, du wüsstest mehr, 
weil dich dein Weg führt kreuz und quer.

 

Und hast doch Glück, wenn dir als Greis 
dein Lebensweg sich schließt zum Kreis.

 

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Der große Preis 

 

Ein Schwertransporter von x Tonnen 
hatte einen Preis gewonnen:

 

Vierzehn Tage Singapur 
für zwei Schwertransporter. Nur

 

war er leider Junggeselle. 
Darum gab man ihm anstelle

 

dieser Reise eine Uhr - 
Die kam frisch aus Singapur.

 

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Hausmusik

 

Unter Opas Pendeluhr 
kommt am Sonntag es zum Schwur:

 

Vater nähert sich den Tasten, 
Mutter holt den Geigenkasten.

 

Dass man nachher Kunst vernimmt, 
wird sich vorher abgestimmt:

 

Er will Brahms interpretieren, 
sie mit Mendelssohn brillieren.

 

Drauf spielt er aus Schumanns Szenen 
"Fremder Mann" - zu ihren Tränen,

 

die nicht hindern, was sie ehrt, 
dass sie sich mit Mozart wehrt...

 

Und so gibt es, unterm Pendel, 
wie noch jeden Sonntag: Händel.

 

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Das Streichholz

 

Im Wasserglas verebbt der Sturm, 
das Huhn verweigert Korn und Wurm.

 

Auf seinem Fels der Pavian 
hockt schweigend stumm samt seinem Clan.

 

Betäubt liegt starr das Krokodil, 
der Pfeil verharrt vor seinem Ziel.

 

An ihrem Stab die Wandermaus 
steht tränenblind und stiert gradaus.

 

Der Baum entledigt Ast für Ast 
sich seiner Blätter: "Welche Last ---!"

 

"Und welches Unglück!" fügt hinzu 
das Loch in einem Seidenschuh...

 

Als Nachricht lastet auf dem Land: 
"Das Streichholz ist heut’ abgebrannt!"

 

Die Kuh verhüllt ihr Haupt im Tal 
und resümiert: "Es war einmal!"

 

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Der Fluss

 

Es fließt der Fluss ins tiefe Meer 
und hinter ihm fließt wieder er.

 

Er folgt sich selbst bei jedem Schritt 
und auch dahinter fasst er Tritt.

 

Was vorne sich ins Meer ergießt, 
gleich wieder aus der Quelle fließt,

 

um sich zwar immerfort zu gleichen, 
jedoch - selbst kurz - nie zu erreichen...

 

Drum träume, Mensch, dich nicht als Fluss: 
Du träumtest dich als Sisyphus

 

und wärst bei deiner Wiederkehr 
derselbe, der du warst vorher.

 

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Der Ganges

 

In Indien war ein Fakir.

 

Der suchte dort, seinem Klavier 
ein deutsches Herbstlied abzuringen.

 

Das wollte ihm nicht recht gelingen 
(aufgrund des ungewohnten Klanges).

 

Es wurde Herbst - 
da plötzlich Ganges!

 

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Der Liebesbrief

 

"Ein Gartenschlauch 
hat keinen Bauch!" ---

 

Diese schlichte Zeile 
verehrte einst ein Gartenschlauch 
einer Nagelfeile.

 

Jene, nach nur kurzer Scham 
und längerem Gefeile 
- wobei ein Wort abhanden kam -, 
schrieb zart zurück:

 

"Ich auch!"

 

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Der Eisberg

 

An einen Eisberg, 
mächtig und alt,
hat sich in schneereicher Februarnacht 
eine Eisbergin rangemacht -

 

Er blieb kalt.

 

Da hat sie ihm 
- ihr Verlangen war heiß - 
drunten im eiskalten Wasser gezeigt, 
was sie dort alles angebaut:

 

Nichts als Eis!! -

 

Da ist er getaut.

 

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Die Seine

 

Durch einen Wirbelsturm getrennt 
wurde ein Paar Beine.

 

Er (das rechte), sie (das linke) 
waren ganz alleine.

 

Das rechte suchte sie am Po, 
das linke ihn am Rheine.

 

Schließlich fand er in Paris 
ein linkes Bein - die Seine.

 

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Das verschaukelte Schaukelpferd

 

Ein Schaukelpferd, weil falsch geritten, 
teilt seinem Reiter bündig mit: 
"So geht das nicht!" und fällt in Schritt... 
Doch der hat alles abgestritten 
und seinem Reittier vorgegaukelt:

 

"Ich ritt mit dir durch einen Wald, 
der wuchs heraus aus dem Asphalt, 
und Schlagloch grenzte dort an Löcher, 
so groß wie --- und noch größer nöcher!! 
Du weißt es doch, du warst dabei!" -

 

Dem Pferdchen ist es einerlei. 
Es fühlt sich nach wie vor: verschaukelt.

 

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Die Unentdeckten

 

In einem unentdeckten Land 
(weil kein Entdecker es dort fand) 
beschloss man, um entdeckt zu sterben 
dereinst (mit Hinblick auf die Erben) 
(das ganze Land war ja aus Sand), 
sich um Entdeckung zu bewerben.

 

Die Frage war nur, wo und wie
(entdeckt worden war man ja nie), 
der Modus des Entdeckens war 
infolgedessen nicht ganz klar 
(Genügte es, wenn man laut schrie: 
"Entdeckung!"? Gab´s ein Formular?).

 

Bei der Beratung dieser Frage 
(sie dauerte zehn volle Tage) 
hat ein Entdecker (gut versteckt) 
(weil ringsherum mit Sand bedeckt) 
die Unentdeckten (nach der Sage) 
vermittels eines Blicks entdeckt.

 

Mit seinem Zeh hat er geschrieben 
flugs in den Sand: "Es sind Stück sieben! 
(Ich liege hier tief hingeduckt 
und warte ab, bis einer guckt!)" -- 
Und dabei ist es dann geblieben. 
(Und also steht nicht mehr gedruckt.)

 

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Der fromme Elefant

 

Ein ursteinalter Elefant, 
als Heide ringsherum bekannt,

 

sprach einst zu einem frommen Floh, 
der ihn bekehren wollte, so

 

(zwei Schleiereulen im Talar 
begleiteten den Missionar):

 

"Ich kann gewiss nicht richtig beten, 
dafür jedoch sehr schön trompeten.

 

Und meine Beine - nun, ihr Eulen! - 
erinnern an vier Kirchensäulen.

 

Aus Elfenbein sind meine Zähne,
 was ich nur deswegen erwähne,

 

weil alles an mir, seid gewiss, 
den Schöpfer lobt - selbst mein Gebiss!

 

Mit einem Wort, als Resümee: 
Ein Elefant ist fromm per se!" ---

 

Der Floh, sehr fromm und mit Verstand,
sprach "Amen, Bruder!" und verschwand.

 

Die beiden Eulen im Talar 
bekehrten bald ein Dromedar.

 

Der Elefant jedoch - er galt 
seitdem nur noch als ursteinalt.

 

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Der Pfingstochse

 

Ein Pfingstochse incognito 
macht Urlaub in Neu-Mexico.

 

Doch was er vorher nicht bedacht: 
Dort ist grad - "Schnauze!" - Stille Nacht.

 

Und weil den Gauchos er gefällt, 
wird er dem Esel beigestellt

 

als Krippentier zu dem Behuf, 
fromm dazustehn wie Gott ihn schuf...

 

Vorbei der Urlaub! Nichts mit Baden! 
Schon wieder drin in allen Gnaden! ---

 

"Wer hat mich bloß", denkt er "erkannt?!" 
Das Kindlein lächelt, hebt die Hand.

 

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Ochs und Esel

 

Es weihnachtet! - In jedem Stall 
bekehren sich die Ochsen 
und stehen wie die Kinderlein 
verlegen in den Boxen.

 

Sei du der Esel, der du bist, 
und stell dich fromm daneben! 
So wird dir noch vor Jahresfrist 
- bist du vielleicht auch gar kein Christ -, 
manch Eselei vergeben.

 

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Der gotische Kaugummi

 

Unter einem spitzen Bogen 
klebt ein Kaugummi, gezogen

 

in die Länge, in die Breite 
(kreuzförmig, weil er sich weihte).

 

Doch obwohl er sich bekehrte, 
blieben äußerlich die Werte,

 

ja - er ist ein Apostat!! 
Alles, was ihn treibt (Zitat):

 

"Glaubt mir, Brüder, unterm Wohntisch 
fühlte ich nicht halb so gotisch!" ---

 

Pfui! denkt da nicht nur der Fromme, 
spricht sein Mund auch "Dein Reich komme",

 

denn selbst ER hat kein Verständnis 
für solch ehrliches Bekenntnis.

 

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Der hingedachte Elefant

 

Ein Elefant geht durch den Wald 
als hingedachte Traumgestalt.

 

Geführt allein durch dieses Wort 
erreicht er einen kleinen Ort.

 

Erst geht er links, dann gradeaus - 
Jetzt steht er GROSS vor deinem Haus.

 

Ein Weilchen nur! - In dieser Nacht 
von mir für dich dort hingedacht.

 

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Die Radtour

 

Auf meiner Fahrt 
mit dem Rad durch das Land 
sah ich manches. Allerhand 
kam mir seltsam, befremdlich vor. 
(Und auch bekannt.)

 

Ich sah: Man hört überall auf dem Ohr, 
in das gesprochen wird, rein nichts... 
Wegen der Wärme, wegen des Lichts 
fuhr ich nach Süden.

 

Ich sah, wie verschieden 
die Menschen in jedem Landstrich
sich gleichen.

 

Ich sah ein Kind, 
das wollte nicht weichen 
lange Zeit von meiner Hand.

 

(Das hat mich erkannt.)

 

Unweit von Würzburg 
sah ich den Hasen, 
der dort gekonnt im Handstand steht.

 

Der ist ein Jongleur 
mit Blumenvasen 
(und abends Charmeur) ---

 

Wie's dem heut wohl geht?

 

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Vorm Zelt

 

Der Mond steht ganz genau auf halb. 
Ich sitz vor meinem Zelte 
und bellte gern zu ihm hinauf 
vor Andacht und vor Kälte.

 

Mir ist so hundeelend wohl 
in meinem Strickpullunder. 
Lass Ärmel wachsen, lieber Gott, 
ich mach daraus kein Wunder! --

 

So manches ist so gar nicht rund 
und niemand zu beneiden. 
Es bellt der Hund - du hältst den Mund 
und lernst, dich zu bescheiden.

 

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Ohne Angst

 

Es gibt fast nichts, was wirklich zählt, 
lass dich von nichts beschweren. 
Was dir zu deinem Glücke fehlt - 
Du kannst es auch entbehren.

 

Du bist nicht da zum Glücklichsein, 
gewiss auch nicht zum Leiden. 
Du musst dein Leben lang verzeihn 
(und darfst dein Glück nicht meiden).

 

Sei ohne Angst und voller Ruh, 
betrachte auf der Weide 
- so du das Glück hast - eine Kuh 
und denk, Gott liebt euch beide!

 

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Über die Heiterkeit

 

Ich möchte so manches noch sagen. 
Und noch mehr geraderücken –

 

Mir ist an manchen Tagen, 
als könne mir beides glücken.

 

Dann fange ich an zu erzählen -- 
und stocke -- und weiß nicht mehr weiter…

 

Die Worte, die dann mir so fehlen, 
die stimmen mich hinterher heiter.

 

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Der Mann ohne Gesicht

 

Er kommt, wenn er geht
ganz nah an dich heran

 

Er lächelt schüchtern 
er fasst dich am Arm


Er möchte was sagen
und sagt dann doch nichts


Er lächelt nur still:
Pst, sag mir jetzt nichts


Vielleicht wird er kommen
vielleicht aber nicht


Er kommt, wenn er geht -
Das ist sein Gesicht

 

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Unter Bäumen

 

Jeder Baum ist ganz allein - 
unter Bäumen.

 

Jeder Baum muss ganz allein 
stehn und träumen.

 

Jeder Baum wird, wie er war, 
enden:

 

einzeln - nicht als Paar.

 

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Ahnung

 

Ich seh sie schon wieder
treiben, die Blätter

 

Ich seh sie schon wieder 
fallen, die Nacht

 

Ein Wort, kaum bedacht 
ein Blick, allzu sacht

 

wird bringen das Gewitter

 

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Hessischer Nebel

 

"Durch den Nebel wandern 
immer nur die andern",

 

denkt der Nebel traurig 
und verwandelt schaurig

 

- nebulös zu wandern - 
sich in einen andern.

 

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Der Bleistift

 

Ein Bleistift flog ins All 
mit einem Blatt Papier.

 

Darauf im freien Fall 
schrieb er die Zeilen nieder:

 

 

Dieses himmlische Papier

siehst du hier!